My Albert Lee Story ...
Albert Lee – the real chill ...
(English translation below)
Ich und meine Band, wir werden den gestrigen Abend, unser Konzert vor Albert Lee, nicht vergessen; ich bedanke mich beim grossartigen Publikum und natürlich bei Albi Matter, der dieses aussergewöhnliche Country Festival in Zürich seit bald 40 Jahren möglich macht!
Ich möchte hier nicht über unseren Auftritt reden (es wird nächstens eine professionelle Videoaufzeichnung davon erscheinen); wir fühlten uns glücklich und inspiriert auf der Bühne. Ich möchte über Albert Lee reden...
Er ist in jeder Hinsicht unglaublich! Als Gitarrist, klar, doch das wissen wir Saitenfreaks ohnehin. In der Country-Szene in Nashville z.B. verehren sie ihn als Gitarrengott, und zwar alle, auch die ganz grossen Cracks der Szene – Albert Lee war für sie wegbereitend! In jeder andern Szene verehren sie ihn ebenso; in der Blues-Szene, Rock'n'Roll-Szene, überall, er spielte mit und für unzählige Superstars wie Eric Clapton, Emmylou Harris, Tommy Emmanuel, Willie Nelson, auch mit J.J. Cale übrigens (darüber gleich mehr ...).
Gitarrengötter sind das eine. Mich interessiert noch mehr jeweils der Mensch dahinter – deshalb hier ein paar kleine Anekdoten für euch. Um zu erzählen, wie beseelt und ermutigend Albert Lee auf unserem Planeten unterwegs ist:
3. März 2023, es ist Nachmittag, 15.00 Uhr; er erscheint im Konzertsaal, zusammen mit drei jungen, sympathischen und feurigen Musikern aus England. Albert strahlt wie immer auf Anhieb, erinnert sich mühelos an unsere zwei bisherigen Begegnungen (die Jahre zurückliegen). Skurril; er entschuldigt sich erst mal quasi dafür, dass er ja eigentlich «kein richtiger Country-Musiker» sei, und er hofft, «dass die Leute heute Abend dennoch zuhören werden.» Ich traue meinen Ohren kaum, erwähne, dass ich mindestens genauso wenig «richtigen Country» spielen würde :-) – und dass die Leute heute Abend haargenau wüssten, was sie erwartet: ein grossartiger und legendärer Albert Lee!
Ich traue ebenso wenig meinen Augen; der spindeldürre alte Mann (er wird heuer 80-jährig...) schleppt schwere Instrumentenkoffer herum, die man ihm quasi aus der Hand reissen muss, aus Angst, er würde sich den Rücken brechen. Er kümmert sich um alles höchstpersönlich, installiert den grossen Fender Gitarren-Amp und sein E-Piano, verkabelt das Zeug. Die allermeisten Kolleg:innen aus seiner Liga logieren um diese Zeit jeweils im 5-Sterne-Hotel. Irgendwie erinnert mich dieser ganze kumpelhafte und geerdet-bescheidene Groove an ... JJ Cale
Albert und seine Jungs legen los beim Soundcheck (mit einer Spielfreude, als hätte das Konzert längst begonnen), schmettern eine eigenwillige Version von Knopflers «Setting Me Up» aufs leere Parkett; den Song lieb ich sowieso (aus der allerersten Dire Straits-Platte), als ob es dies noch benötigt hätte, um das Eis zu brechen. Die Jungs beenden den Soundcheck pünktlich, überlassen uns das Feld, hören zu; Albert Lee lächelt zufrieden vor der Bühne, während wir kurz unsere Cajun-Nummer «Ce Soir» anspielen. Weil mein zweieinhalbjähriger Enkel Tom in Frankreich diesen Song täglich singt (kein Witz), hab ich ihn nun wieder ins Repertoir genommen. Tom würde hüpfen vor Freude, wenn er uns jetzt sehen könnte – erst recht, wenn er wüsste, wer dieser Albert Lee ist. Ich werd's ihm zu erklären versuchen.
Beim Nachtessen im neu renovierten Gasthaus Albisgütli. Irgendwie skurril; Albert und seine Jungs am Nebentisch. Die Jungs hantieren am Smartphone herum, Albert scheint keins zu haben, er geniesst das Essen. Geredet wird nicht viel, jedenfalls kein Blödsinn; die Briten bedanken sich beim Servierpersonal mit einem schon beinahe akzentfrei-deutschen «Dankeschön». Wir bemerken alle, wie seltsam unterbeleuchtet die Ecke im Restaurant ist, da wo wir essen; «wo es doch dunkel genug ist in der Welt», füge ich hinzu – Albert und seine Jungs nicken. Die Jungs fragen, ob bei unserem Soundcheck alles klappte und wie wir uns fühlen würden; ich antworte in der Hoffnung, originell oder gar weise zu klingen, «technisch alles bestens; doch ihr wisst ja, wenn du dich beim Soundcheck noch nicht gut fühlst, wird das Konzert umso besser» (ich war irgendwie noch nicht in der Musik, liess mich von der prominenten Anwesenheit beeindrucken). Die Jungs lächeln überrascht: «Ach ja? Seltsam, diese Faustregel kennen wir nicht – wir haben jeweils schon beim Soundcheck riesen Fun!» Ich muss kleinlaut entgegnen, «yeah, das ist wohl nur mein persönliches Problem ...»
Für unser Konzert bitte ich wie immer die guten Geister dieser Welt um Kraft und Beistand, mit dem Wunsch, «nicht in alte Muster zurückzufallen, niemanden (und schon gar nicht Albert Lee) beeindrucken zu wollen, einfach nur in der Musik und im Raum zu sein.» Nach meinem Empfinden wurden die Gebete erhört – es machte uns glücklich.
Nach dem Konzert. Unzählige wunderbare Menschen im Publikum, mit denen ich dankbar ein paar Worte reden möchte; gleichzeitig spielt Albert Lee, dem ich am liebsten wortlos und in jeder Sekunde zuhören würde – das Leben ist voller Kompromisse, es muss so sein. Was ich von ihm und seiner Band höre, ist grossartig, wie erwartet. Fast noch mehr als seine Gitarrenkunst berührt mich, wenn er eigenwillig-virtuos Klavier spielt (auf dem grossen E-Piano, welches er nicht herumschleppen sollte) und über sein Leben singt; mit einer Stimme, die übrigens sträflich unterschätzt wird. Es ist schlicht wunderbar, glaubwürdig, ergreifend – und es macht Mut. «Wow, so zu altern...», staunt mein Schlagzeuger Fausto Medici.
Zur späten Stunde, nach dem Konzert. Albert muss sehr müde sein. Er räumt auf der Bühne seelenruhig sein Zeug zusammen; wieder kommt mir, wenn ich das sehe, irgendwie J.J. Cale in den Sinn. Ich gehe zu ihm, um mich zu verabschieden, ihm für den wunderbaren Abend zu danken. Es scheint ihn aufrichtig zu freuen; er hatte offenbar auch mir zugehört, meint strahlend: «Ich wusste nicht, dass du Songs von J.J. Cale spielst. Du hast ein Buch über ihn geschrieben? Habe es gesehen, dort drüben auf dem Merchandise-Tisch.» Ich antworte ihm stotternd, «... ähm, oh ja, du kommst natürlich auch drin vor» (Lee spielte mehrmals mit Cale, u.a. auf der Cale-Clapton-Platte «To Tulsa And Back»). Einige Minuten lang, während er feinsäuberlich Kabel versorgt, reden wir über Cale, was für ein seltsam-liebenswürdiger Kerl er war. Albert erzählt, wie er ihn im Wohnmobil besuchte, und er erzählt mit ehrfürchtig-ergriffener Stimme, ... dass ihm Cales Ehefrau Christine Lakeland eine von JJ's Gitarren vermachte (eine Resonatorgitarre von Gibson). Offenbar wünschte Cale, die Instrumente seinen besten Freunden zu vererben, und Albert Lee erwähnt relativierend, dass er ja eigentlich nicht sehr nahe mit Cale befreundet war. «Hör auf, dich kleinzumachen, Albert», denke ich mir (nebenbei erwähnt, wenn ihr wüsstet, für wie vergleichsweise wenig Geld der Mann spielt, in Relation zu seinem Status...). Ich bin sprachlos ergriffen; das hätte alles unbedingt ins Buch gehört – ich wusste es nicht.
«Das Buch ist in deutscher Sprache verfasst», erwähne ich am Schluss kleinlaut, «doch es gibt einen Link, wo du eine englische Übersetzung downloaden kannst.» Albert winkt freundlich ab; Downloaden sei nicht sein Zeug, doch mein Tribut-Album würde er sich gerne anhören. Ich renne ins Auto; zum Glück habe ich zufällig noch eine einzelne CD im Koffer (die Bücher mit CD gingen alle weg am Abend).
«Yeah», meint Albert lächelnd. Und jetzt eins dieser aufdringlichen Erinnerungsfotos mit ihm? Wäre irgendwie nicht cool, denke ich mir, es reicht die Erinnerung im Herzen (Selfies kann ich mit meinem mittelalterlichen iPhone 3 ohnehin nicht schiessen, da ist nur eine Kamera vorne :-) ). Doch ich mache kurz ein Bild von ihm: der Meister mit meiner «The Real Chill»-Scheibe in der Hand – ich treffe in der Aufregung kaum den Record-Button, er wartet geduldig. Das Bild spricht tausend Worte: Albert ist «the real chill», auf seine Weise. Genauso wie J.J. Cale.
Wir verabschieden uns herzlich; «I hope to see you again», stammle ich, «... you are a wonderful and a REAL musician, Albert» – etwas Besseres kommt mir nicht in den Sinn. Mit geröteten Augen und glücklich fahre ich in die Innerschweiz zurück. Mich beim Schicksal bedankend. Und natürlich den Entschluss fassend, das alles morgen meinem Publikum zu erzählen. In dieser gewohnt knappen Art, mit ein paar wenigen Sätzen, haha.
Herzlich: Richard Koechli
(English translation)
Me and my band, we won't forget last night, our concert as opening for Albert Lee. I thank the great audience and of course Albi Matter, who has made this extraordinary Country Music Festival in Zurich (Switzerland) possible for almost 40 years!
I don't want to talk about our gig here (there will soon be released a professional video recording of it); we felt lucky and inspired on stage. I want to talk about Albert Lee ...
He is incredible in every way! As a guitarist, sure, but we string freaks know that anyway. In the country music scene in Nashville, for example, they worship him as a guitar god, all of them, even the really big cracks of the scene - Albert Lee was pioneering for them! In every other scene they worship him as well; in the blues scene, rock'n'roll scene, everywhere, he played with and for countless superstars like Eric Clapton, Emmylou Harris, Tommy Emmanuel, Willie Nelson, also with J.J. Cale by the way (more about that in a moment ...).
Guitar gods are one thing. I'm even more interested in the human being behind them - so here are a few little anecdotes for you. To tell you how inspiring and encouraging Albert Lee is on the road on our planet:
3 March 2023, it's afternoon, 3.00 pm; he appears in the concert hall, together with three young, friendly and fiery musicians from England. Albert, as always, shines instantly, effortlessly recalling our two previous meetings (which were years ago). Strangely, he begins by apologising for the fact that he's «not really a country musician» and hopes that «people will listen tonight anyway.» I can hardly believe my ears, I mention that I would play at least as less «real country» :-) - and that the people tonight would know exactly what to expect: a great and legendary Albert Lee!
I can't believe my eyes either; the spindly old man (he'll be 80 this year...) lugs around heavy instrument cases, which you practically have to snatch out of his hand for fear he'll break his back. He takes care of everything himself, installs the big Fender guitar amp and his electric piano, wires the stuff. Most of the colleagues in his league are staying in a 5-star hotel at this time. Somehow this whole buddy-like and grounded-modest groove reminds me of ... JJ CaleAlbert and his boys kick off the sound check (with a joy of playing as if the concert had already begun), belt out an idiosyncratic version of Knopfler's «Setting Me Up» on the empty stage; I love that song anyway (from the very first Dire Straits record), as if it still needed this to break the ice. The guys finish the sound check on time, leave the field to us, listen to us; Albert Lee smiles contentedly in front of the stage while we briefly play our Cajun number «Ce Soir». Because my two-and-a-half-year-old grandson Tom sings this song every day in France (no joke), I have now added it back to the repertoire. Tom would jump for joy if he could see us now - especially if he knew who this Albert Lee is. I'll try to explain it to him.
At dinner in the newly renovated Gasthaus Albisgütli. Somehow bizarre; Albert and his boys at the next table. The boys are fiddling with their smartphones, Albert doesn't seem to have one, he's enjoying the meal. There is not much talking, at least no nonsense; the British thank the serving staff with an almost accent-free German «Dankeschön». We all notice how strangely underlit the corner of the restaurant is where we are eating; «… it's dark enough in the world», I add - Albert and his boys nod. The guys ask if everything went well at our sound check and how we felt; I answer, hoping to sound original or even wise, «technically everything is fine; but you know, if you don't feel good at the sound check yet, the concert will be all the better» (I was somehow not into the music yet, letting myself be impressed by the celebrity presence). The guys smile in surprise: «Oh yeah? Strange, we don't know this rule of thumb - we always have a lot of fun at the sound check!» I have to reply meekly, «yeah, that's probably just my personal problem ...»
For our concert, as always, I ask the good spirits of this world for strength and assistance, with the wish «not to fall back into old patterns, not to want to impress anyone (and certainly not Albert Lee), just to be in the music and in the room.» From what I felt, the prayers were answered - it made us happy.
After the concert. Countless wonderful people in the audience, with whom I gratefully want to speak a few words; at the same time, Albert Lee is playing, to whom I would prefer to listen wordlessly and in every second - life is full of compromises, it has to be that way. What I hear from him and his band is great, as expected. Almost more than his guitar artistry, I'm touched when he plays the piano with idiosyncratic virtuosity (on the big electric piano, which he shouldn't be lugging around) and sings about his life; with a voice that, by the way, is seriously underestimated. It is just wonderful, authentic, moving - and it gives courage. «Wow, to age like that...», my drummer Fausto Medici marvels.
Late at night, after the concert. Albert must be very tired. He is calmly putting his stuff away on stage; again, seeing this, somehow J.J. Cale comes to mind. I go to him to say goodbye, to thank him for the wonderful evening. He seems to be truly pleased; he had obviously listened to me, too, and says, brightly: «I didn't know that you play songs by J.J. Cale. You wrote a book about him? Saw it over there on the merchandise table.» I answer him stuttering, «.... Um, oh yeah, you're in it, of course» (Lee played with Cale several times, including on the Cale-Clapton record «To Tulsa And Back»). For a few minutes, while he neatly supplies cables, we talk about Cale, what a strangely lovely guy he was. Albert tells how he visited him in the motorhome, and he tells in a deeply reverent voice ... that Cale's wife Christine Lakeland bequeathed him one of JJ's guitars (a Gibson resonator guitar). Apparently Cale wanted to bequeath the instruments to his best friends, and Albert Lee mentions in a relative way that he was actually not very close friends with Cale. «Stop making yourself small, Albert», I think to myself (by the way, if you knew how comparatively little money the man plays for, in relation to his status...). I am speechlessly touched; all this should definitely have been in the book - I didn't know it.
«The book is written in German», I mention meekly at the end, «but there is a link where you can download an English translation.» Albert kindly waves it off; downloading isn't his thing, but he'd be happy to listen to my tribute album. I run into the car; luckily I happen to have a single CD in my suitcase (the books with CD were all sold that evening).
«Yeah», Albert remarks with a smile. And now one of those intrusive souvenir photos with him? Wouldn't be cool somehow, I think to myself, the memory in my heart is enough (I can't take selfies with my medieval iPhone 3 anyway, there's only one camera in the front, hehe). But I snap a quick picture of him: the master with my «The Real Chill» disc in his hand - I barely hit the record button in my excitement, he waits patiently. The picture speaks a thousand words: Albert is «the real chill», in his own way. Just like J.J. Cale.
We say goodbye warmly; «I hope to see you again», I stammer, «... you are a wonderful and a REAL musician, Albert» - I have no better words. With reddened eyes and happy, I drive back to central Switzerland. Thanking fate. And of course deciding to tell my audience all this tomorrow. In my usual concise manner, with just a few sentences, haha.
Sincerely: Richard Koechli